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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 14.03.2005
Aktenzeichen: 22 U 10/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 125 S. 1
BGB § 766
BGB § 766 I
BGB § 766 S. 1
ZPO § 580 Nr. 7 b
ZPO § 580 Ziff. 7 b
ZPO § 582
ZPO § 586
ZPO § 589
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Restitutionsklage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt im Wege der Restitutionsklage Aufhebung des im Berufungsverfahren umgekehrten Rubrums - 22 U 86/04 OLG Hamm - durch den erkennenden Senat erlassenen Urteils vom 11.11.2004, durch welches in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Münster die Klage der Restitutionsklägerin gegen den Restitutionsbeklagten auf Zahlung von 45.138,05 € abgewiesen wurde.

In dem genannten Verfahren nahm die Restitutionsklägerin den Restitutionsbeklagten als damaligen Beklagten zu 2) für eine von ihm für den damaligen Beklagten zu 1) übernommene Darlehensforderung in Anspruch.

Das in erster Instanz entscheidende Landgericht Münster hatte durch Urteil vom 24.03.2004 den Restitutionsbeklagten aus einer für den ehemaligen Beklagten zu 1) Detlef I übernommenen selbstschuldnerischen Bürgschaft vom 22.11.2001 zur Zahlung von 45.138,05 € nebst Zinsen verurteilt.

Die hiergegen seitens des Restitutionsbeklagten eingelegte Berufung vor dem erkennenden Senat hatte Erfolg. Die gegen den Restitutionsbeklagten gerichtete Klage wurde abgewiesen. Der Senat sah die Unwirksamkeit der von Rechtsanwalt Heinz G im Namen des Restitutionsbeklagten abgegebenen Bürgschaftserklärung darin begründet, daß die vorgelegte Vollmacht vom 08.11.2001 (GA 131) den Schriftformerfordernissen gem. § 766 BGB nicht genügte, insbesondere Angaben bezüglich der Person des Gläubigers, des Hauptschuldners sowie der zu sichernden Forderung fehlten.

Die im genannten Senatsurteil zugelassene Revision wurde von der Restitutionsklägerin innerhalb der Revisionsfrist nicht eingelegt.

Mit einem am 07.01.2005 beim OLG Hamm eingegangenen Schriftsatz begehrt die Klägerin nunmehr im Wege der Restitutionsklage Aufhebung des Senatsurteils vom 11.11.2004 und Zurückweisung der von dem jetzigen Restitutionsbeklagten und früheren Berufungskläger gegen das landgerichtliche Urteil vom 24.03.2004 eingelegten Berufung.

Zur Begründung trägt sie vor, nach Beendigung des Berufungsverfahrens habe der im landgerichtlichen Verfahren Beklagte zu 1), Herr Detlef I, sie auf eine weitere Vollmacht hingewiesen, die ebenfalls vom 08.11.2001 datiert habe. Diese weitere Vollmachtsurkunde sei ihren Prozeßbevollmächtigten per Fax vom 07.11.2004 durch den Zeugen I zugesandt worden. Der Text dieser zweiten Vollmacht laute: "... wird hiermit in Sachen Bürgschaftserklärung in meinem Namen bis zu € 75.000,00 abzugeben Vollmacht erteilt" (GA 176).

Demgemäß stehe fest, daß der Restitutionsbeklagte seinen erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten in wirksamer und den Anforderungen des § 766 BGB genügender Art und Weise zur Abgabe einer Bürgschaftserklärung bevollmächtigt habe. Die Tatsache der Bevollmächtigung zur Abgabe einer Bürgschaftserklärung ergebe sich ferner aus dem Text eines von dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Restitutionsbeklagten an den Zeugen Detlef I gerichteten Schreibens vom 12.11.2001, welches ihr, der Restitutionsklägerin, ebenfalls mit Telefax vom 07.12.2004 übermittelt worden sei (GA 174, 175). Denn dort sei mitgeteilt, daß sich die umfassende Bevollmächtigung auch auf die Vornahme von Bürgschaftserklärungen erstrecke.

Durch den Erhalt dieser Urkunden sei bewiesen, daß die Bevollmächtigung des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Restitutionsbeklagten in einer den Anforderungen des § 766 BGB genügenden Form vorgenommen worden sei.

Jedenfalls sei die Formwirksamkeit der Bürgschaftserklärung vom 22.11.2001/ 11.12.2001 gegeben. Ferner liege auch der Restitutionsgrund gem. § 580 Nr. 7 b ZPO vor.

Die Restitutionsklägerin beantragt nunmehr,

1.

das Urteil umgekehrten Rubrums des OLG Hamm vom 11.11.2004, AZ: 22 U 86/04, aufzuheben;

2.

die im Verfahren vor dem OLG Hamm, AZ: 22 U 86/04, eingelegte Berufung des jetzigen Restitutionsbeklagten und früheren Berufungsklägers zurückzuweisen.

Der Restitutionsbeklagte beantragt,

die gegnerische Restitutionsklage abzuweisen.

Er trägt vor, die Restitutionsklage scheitere bereits an § 582 ZPO, da die Restitutionsklägerin nicht ohne ihr Verschulden außerstande gewesen sei, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Zum einen habe sie in ihrer Berufungserwiderung vom 09.09.2004 selbst vorgetragen, die dort eingereichte Vollmachtsurkunde vom 08.11.2001 sei ihr im Zuge der Vertragsabwicklung vorgelegt worden und berechtige sie auch zur Abgabe einer Bürgschaft. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Restitutionsklägerin den jetzt vorgetragenen Sachverhalt nicht bereits im Berufungsverfahren habe vortragen können. Selbst wenn die Klägerin, was bestritten werde, erst nach Eingang des Berufungsurteils beim Hauptschuldner Detlef I nachgefragt habe, liege darin ein prozessuales Verschulden.

Zudem hätte die Klägerin, sofern die Voraussetzungen von § 580 Nr. 7 b ZPO tatsächlich vorliegen würden, diesen Einwand auch in der Revisionsinstanz vortragen können; tatsächlich habe sie jedoch die Revisionsfrist verstreichen lassen, so daß aus prozessualen Gründen die Restitutionsklage erfolglos bleiben müsse.

Er, der Restitutionsbeklagte, habe im übrigen keine Erinnerung daran, die nunmehr zur Akte gereichte Vollmacht unterzeichnet zu haben.

Zudem bestreite er, daß die Restitutionsklägerin die jetzt in Fotokopie vorgelegte Vollmacht nicht bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens in den Händen gehabt habe.

II.

Die Restitutionsklage bleibt erfolglos.

1.

Dabei kann dahinstehen, ob die Restitutionsklage überhaupt zulässig ist gem. §§ 580 Nr. 7 b, 582 ZPO und die Voraussetzung vorliegt, daß die Restitutionsklägerin ohne ihr Verschulden außerstande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Insbesondere mußte hierzu nicht die zwischen den Parteien streitige Frage durch Beweisaufnahme geklärt werden, ob die nunmehr in Fotokopie von der Restitutionsklägerin vorgelegte Vollmacht nicht bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens am 11.11.2004 in den Händen der Restitutionsklägerin gewesen ist oder diese von der Existenz der Urkunde Kenntnis gehabt hat, so daß die Möglichkeit zur Vorlage der Urkunde bereits seinerzeit gegeben war.

Die besondere Gestaltung des Wiederaufnahmeverfahrens läßt es nämlich zu, die Frage der Zulässigkeit der Restitutionsklage ausnahmsweise offen zu lassen, wenn die Klage jedenfalls aus sachlichen Gründen abzuweisen ist. Zwar kommt in einem normalen Klageverfahren die Fällung einer sachlichen Entscheidung nicht in Betracht, solange nicht feststeht, daß die prozessualen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Für die Partei hat das wegen der Rechtskraftwirkung insofern Bedeutung, als die Abweisung aus sachlichen Gründen den Anspruch selbst aberkennt, während die Abweisung aus prozessualen Gründen einer erneuten Geltendmachung nicht entgegensteht, wenn die prozessualen Mängel beseitigt sind. Diese Erwägungen sind jedoch im Falle einer Restitutionsklage ohne Belang. Denn für die Parteien ist es praktisch völlig gleich, ob die Restitutionsklage gem. § 589 ZPO als unstatthaft und somit unzulässig verworfen oder ob sie als unbegründet abgewiesen wird, weil die Urkunde kein günstigeres Ergebnis herbeigeführt haben würde (vgl. BGH LM § 580 Nr. 7 b Nr. 4; Zöller-Greger, 25. Aufl., ZPO, § 580 Rz. 30). Denn eine erneute Klage aus § 580 Ziff. 7 b ZPO wegen derselben Tatsache kommt schon wegen Verstreichung der Frist des § 586 ZPO nicht in Betracht (vgl. BGH a.a.O.).

2.

Die Restitutionsklage bleibt jedenfalls deswegen erfolglos, weil die nunmehr vorgelegte Urkunde keine der Klägerin günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

Die Abweisung der gegen den damaligen Beklagten zu 2) und jetzigen Restitutionsbeklagten gerichteten Klage durch das Berufungsurteil vom 11.11.2004 beruhte darauf, daß der Senat bezüglich der seinerzeit vorliegenden Vollmacht mit dem Betreff "Auskunft bei Kreditreform/Bürgel" die Schriftformanforderungen des § 766 BGB als nicht erfüllt und damit die von Rechtsanwalt G im Namen des Restitutionsbeklagten abgegebene schriftliche Bürgschaftserklärung als formunwirksam ansah, während sämtliche anderen von dem seinerzeitigen Beklagten zu 2) vorgebrachten Einwendungen gegen die Haftung aus der Bürgschaftsurkunde als unbegründet angesehen wurden.

Zwar ist das Restitutionsgericht bei der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung der bestehen gebliebenen und neu hinzugekommenen Verfahrensergebnisse nicht an die Auffassung des früheren Gerichts gebunden (vgl. Zöller-Greger, 25. Aufl., § 590 Rz. 13). An den im Berufungsurteil dargelegten inhaltlichen Anforderungen für die Wirksamkeit einer Vollmacht zur Abgabe einer Bürgschaftserklärung ist jedoch festzuhalten. Demzufolge ist das an § 766 S. 1 BGB auszurichtende Schriftformerfordernis auch bei der jetzt vorgelegten Urkunde nicht gewahrt. Nach der im Berufungsurteil vom 11.11.2004 zitierten Entscheidung BGH NJW 1996, 1467 sind zur Einhaltung des Schriftformerfordernisses anzugeben die Personen des Gläubigers und des Hauptschuldners sowie die gesicherte Forderung, soweit diese Merkmale aus der Bürgschaftsurkunde noch nicht ersichtlich sind. Hinsichtlich der Bezeichnung des Gläubigers soll allerdings zur Erleichterung des Rechtsverkehrs die Beschränkung auf allgemeine Angaben ausreichend sein.

In der ebenfalls bereits im Berufungsurteil zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1696 ist ausgeführt, das Schriftformerfordernis des § 766 I BGB sei nur gewahrt, wenn die betreffende Urkunde außer dem Willen, für fremde Schuld einzustehen, auch die Bezeichnung des Gläubigers, des Hauptschuldners und der verbürgten Forderung enthält. Soweit der BGH hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen für die Schriftform ausgesprochen habe, anzugeben seien die Personen des Gläubigers und des Hauptschuldners sowie die gesicherte Forderung, falls diese Merkmale aus der Bürgschaftsurkunde noch nicht ersichtlich seien, könne daraus nicht der Schluß gezogen werden, die inhaltlichen Erfordernisse könnten wahlweise durch die Bürgschaftserklärung oder die Vollmachtsurkunde erfüllt werden. Vielmehr erkläre sich die einschränkende Formulierung in dem zitierten BGH-Urteil allein aus dem dort zur Beurteilung stehenden Sachverhalt der Ergänzung einer vom Bürgen blanko unterschriebenen Erklärung aufgrund mündlicher Ermächtigung.

Der Senat schließt sich dieser Auffassung weiterhin an. Daraus folgt, daß das konstatierte Schriftformerfordernis auch durch die nunmehr vorgelegte weitere Vollmachtsurkunde nicht eingehalten ist. Zwar ist dort der Verbürgungswille des Restitutionsbeklagten zum Ausdruck gebracht. Jedoch fehlen Angaben zu den Personen von Gläubigerin und Schuldner sowie zur verbürgten Forderung, die zusätzlich zur Einhaltung des Schriftformerfordernisses erforderlich wären.

Vorliegend ergeben sich die erforderlichen Angaben im Übrigen auch nicht aus dem von der Restitutionsklägerin vorgelegten Schreiben des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Restitutionsbeklagten vom 12.11.2001. Abgesehen davon, daß dieses Schreiben an die Detlef I GmbH und nicht an den Restitutionsbeklagten gerichtet ist, läßt sich daraus zwar ebenfalls der Verbürgungswille des Restitutionsbeklagten erkennen, nicht aber die Person des Hauptschuldners und die durch "Vornahme von Bürgschaftserklärungen" zu sichernde Forderung. Die allgemeine Bezugnahme auf eine Unterredung mit dem Restitutionsbeklagten, dessen erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten und "den Herren von C-Brauerei" reicht zur Individualisierung der Forderung nicht aus. Die Restitutionsklägerin hat auch kein Anschreiben vorgelegt, mit welchem die jetzt in Rede stehende Vollmachtsurkunde an sie übersandt worden ist und aus welcher die in der Vollmachtsurkunde nicht enthaltenen Angaben ggf. ersichtlich gewesen sind. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann daher von der Einhaltung des Schriftformerfordernisses nicht ausgegangen werden.

Es bleibt ferner dabei, daß der Restitutionsbeklagte dadurch, daß er sich auf die Formunwirksamkeit gem. § 125 S. 1 BGB beruft, nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt. Insoweit wird auf die Ausführungen in dem Senatsurteil vom 11.11.2004 Bezug genommen.

Die Restitutionsklage war daher abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gem. § 543 II Nr. 2 ZPO ist auch in der vorliegenden Entscheidung zur Rechtsfortbildung die Revision zugelassen worden, insbesondere zur weiteren Klärung der Schriftformerfordernisse bei der Erteilung einer Vollmacht zur Abgabe einer Bürgschaftserklärung.

Ende der Entscheidung

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